Wohnen für eine Jahresmiete von 0,88 Euro: Fuggerei in Augsburg

Der Zutritt in die Fuggerei ist nicht auch für die Bewohner nicht immer möglich (Besucher müssen Eintritt bezahlen): Das sog. Tag-Tor schließt und dann müssen die Bewohner zahlen, um in ihre Wohnungen gelangen zu können. (Foto: Winderl)

Im Großraum München für 0,88 Euro Jahresmiete wohnen? Das klingt wie ein Traum – ist aber in der Fuggerei in Augsburg Realität und das schon seit fast 500 Jahren. Klar, dass ich mich darin als ISARPARERIN einmal umsehen musste:

Die Fahrt mit dem Fugger-Express nach Augsburg dauert rund eine Dreiviertelstunde, mit dem ICE schafft man es sogar in einer halben Stunde vom Münchner Hauptbahnhof. Da dauert eine Fahrt innerhalb Münchens manchmal länger!

Keine Mieterhöhung seit fast 500 Jahren

Gut, die Fuggerei liegt nicht direkt am Hauptbahnhof Augsburg… und ein paar Einschränkungen muss man als Bewohner der Fuggerei schon in Kauf nehmen: So ist der Zugang über das Tag-Tor (die Fuggerei liegt wie eine eigene Stadt in der Stadt innerhalb einer Art Stadtmauer) nur zu bestimmten Zeiten möglich. Ab 22 Uhr wird dieses Tor geschlossen, Nachtschwärmern ist der Zugang dann nur mehr über das Nachttor und gegen einen Obulus (von 22 Uhr bis 24 Uhr 0,50 Euro, nach Mitternacht 1 Euro) möglich.

Der Stifter hat mit seiner Sozialsiedlung nicht nur an die Bedürftigen, sondern auch an sein eigenes Seelenheil gedacht: Täglich müssen die Bewohner für den Stifter beten, von dem natürlich auch eine Büste in der Fuggerei steht. Ein Bild von ihm gehört – neben einem Kruzifix – zur Grundausstattung einer jeden Wohnung. (Foto: Winderl)

Warum wohnt man hier überhaupt so günstig?

Das ist den Fuggern zu verdanken – die uns spätestens seit dem Fugger-Express ein Begriff sind. Diese reichen Kaufleute wollten Bedürftigen Gutes und etwas für ihr eigenes Seelenheil tun. Sie gründeten daher eine Stiftung, aus deren Erträgen (zum Stiftungsvermögen zählt ein Wald) noch heute die Fuggerei schöpfen kann. Deshalb wurde auch nie die Miete erhöht. Nachkommen der Familie Fugger sind in dieser Stiftung übrigens bis in unsere Tage im sog. Seniorrat (einer Art Aufsichtsrat) engagiert.

Es ist immer schwierig, historische Geldbeträge umzurechnen. Aber 0,88 Euro, das entsprach im Mittelalter wohl dem Lohn, den ein Handwerker für eine ganze Woche Arbeit erhielt. Das war damals schon nicht richtig viel Miete, aber doch mehr als heutzutage.

Zu den 0,88 Euro kommen jedoch noch rund 85 Euro Nebenkosten pro Monat und die Heizung ist mit etwa 200 Euro in den Wintermonaten ein doch nicht unerheblicher Posten. Denn die Siedlungshäuschen sind halt nicht mit der modernsten Wärmedämmung ausgestattet.

Darüberhinaus müssen die Bewohner täglich für die Fugger beten. Diese immaterielle Abgabe lässt sich freilich nicht überprüfen… jedoch das Taufbuch potentieller Bewohner: Diese müssen nämlich katholisch sein und aus Augsburg stammen. Heute reicht es, wenn man mindestens zwei Jahre in Augsburg gelebt hat. Und auch Konvertieren ist erlaubt. Nur muss man auch „bedürftig“ sein, insofern fällt die Fuggerei wohl als günstige Wohnalternative für die meisten ISARSPARER flach. Aber die Fuggerei ist eine Institution, die man meiner Meinung nach, schon kennen sollte. Immerhin bin ich hauptberuflich nicht Bloggerin, sondern Historikerin.

Wer nur den Biergarten besucht, kann sich den Eintrittspreis sparen

Wie alles hat auch das Leben in der Fuggerei zwei Seiten: Die Bewohner müssen damit leben, dass täglich viele Besucher ihre Gassen kreuzen. (Foto: Winderl)

Übrigens: Wer sich isarsparerlike den Eintritt in die Fuggerei sparen will (mit dem aber wiederum die älteste Sozialsiedlung der Welt mitfinanziert wird), der kann einfach nur den Biergarten besuchen. Gleich nach dem Tag-Tor wurde der erst vor einigen Jahre für die Besucher angelegt und soll ebenfalls Einnahmen bringen. Um einen Eindruck vom Baustil der Anlage zu gewinnen, reicht der Besuch dort eigentlich aus. Von dort kann man in eine „Hauptstraße“ blicken. Auch die Kirche der Fuggerei ist gleich gegenüber dem Biergarten. Irgendwo sollen die Bewohner ja ihre täglichen Gebete für die edle Stifterfamilie ableisten können. 

Es gibt sogar einen eigenen Fuggereipriester – traditionell ist dieser heute gleichzeitig der Direktor der Caritas, seines Zeichens Mitglied des Augsburger Domkapitels. Ich finde das eine sehr schöne Idee, dass der Caritasdirektor selbst in einer solchen Sozialwohnung untergebracht ist und so wahrscheinlich einen direkteren Draht zu Bedürftigen hat als er das hinter dem Schreibtisch je haben könnte!

In der Fuggerei leben aktuell rund 150 Personen; etwa 70 stehen auf der Warteliste. Es gab Beispiele von Bewohnern, die ihr ganzes Leben hier verbrachten. So soll das eigentlich nicht sein: Es gibt eigens Sozialarbeiter, die die Bewohner unterstützen: Hilfe zur Selbsthilfe, wie man das so schön plakativ nennt. 

Bewohner der Fuggerei genießen hohes Ansehen in Augsburg

Ein jeder kennt wohl eine Straße in seiner Heimatstadt, in der eher die Sozialschwachen leben… Hand auf`s Herz: Wie angesehen sind die?

Die Bewohner der Fuggerei hingegen sollen in der Stadt Augsburg hohes Ansehen genießen. Auch einfach ein nettes Kuriosum – ich kann euch den Besuch in der Fuggerei echt empfehlen. Ich werde wohl auch wiederkommen. Wenn sich das ganze Laub im Herbst verfärbt, sieht die Siedlung sicher nochmal ganz anders aus…

Noch mehr Fotos zum Ausflug in die älteste Sozialsiedlung der Welt – mit grünen Blättern – gibt es derweil auf Flickr:

Fuggerei - Augsburg

Am Besten schnappt ihr euch ein paar Freunde und reist günstig mit dem Bayernticket an. Augsburg ist ein schönes, traditionsreiches Städtchen. Übrigens: Sogar die Tk Maxx-Filiale befindet sich in einem Haus der Fugger 😉 Aber das ist eine andere Geschichte…

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