NS-Dokumentationszentrum: Freier Eintritt bis 31. Juli 

München – einst „Hauptstadt der Bewegung“ – hatte bis 70 Jahre nach Kriegsende kein NS-Dokumentationszentrum. Im Mai 2015 ist es nun an der Brienner Straße für die Öffentlichkeit geöffnet worden. Der Eintritt dort ist bis 31. Juli frei – danach werde noch darüber entschieden, ob das auch weiterhin so bleiben soll, wie mir ein Mitarbeiter bei meinem Besuch im Juni verraten hat.

Da es also noch nicht sicher ist, ob das NS-Dokuzentrum weiterhin gratis zugänglich ist, sollte man sich bis Ende Juli aufmachen, das Dokuzentrum im auffällig weißen Kubus zu besuchen. Denn das vorweg: Ein jeder Münchner sollte dort einmal gewesen sein!

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Ein bewusster Bruch, der hier architektonisch mit der Kubus-Form erzeugt werden soll. Links kommt man vom Königsplatz – direkt neben dem Dokuzentrum seht der ehem. „Führerbau“. (Foto: Winderl)

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Die Dauerausstellung beginnt 1918 und endet nicht mit Kriegsende, sondern der NS-Aufstieg und die Rezeption werden ebenfalls ins Blickfeld genommen. (Foto: Winderl).

Der idealste Weg sich dem Dokuzentrum an der Brienner Straße zu nähern ist sicher über den Königsplatz; denn dieser wurde einst von Hitler und den Nazis instrumentalisiert (die Bedeutung des Platzes für die Bewegung und seine Rezeptionsgeschichte wird im 1. Stock der Ausstellung thematisiert.)
Nach den historisierenden Gebäuden, der Glypothek und Propyläen, erzeugt die moderne Kubus-Architektur einen bewussten Bruch. Direkt daneben steht im Übrigen der einstige sogenannte „Führerbau“ – eines der wenigen Bauobjekte aus der NS-Zeit, die im Umfeld des Königsplatzes verblieben sind.
Immer wieder fällt der Blick des Besuchers unwillkürlich auf das Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft. Diese Transparenz von einst und jetzt, die durch die zahlreichen Fenster zwangsläufig erzeugt wird, scheint im sonst sehr zurückhaltenden Bau gewünscht zu sein. Das Gebäude ist von innen und außen ein architektonisches Meisterwerk! Nichts lenkt den Besucher mit seiner schlichten Eleganz von der Ausstellung ab, die im 4. Stock beginnt. Nichts – außer einem mit der Zeit schier nervtötenden Geräusch; aber dazu später.

Rundgang beginnt im 4. Stock

Los geht’s im Jahr 1918: An Hand der gescheiterten Novemberrevolution und Niederschlagung der Räterepublik wird aufgezeigt, wie es zum Aufstieg Hitlers und der rechten Idee kommen konnte. Und warum das gerade in München stattgefunden hat. Ich persönlich finde es sehr sinnvoll, dass diese Zeitspanne gewählt wurde und das NS-Dokumentationszentrum nicht erst bei der Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933 einsetzt.

Im 3. Stock geht es weiter mit Infos über das NS-Regime: Wie die Ausgrenzung und Vernichtung der Juden und Andersdenkenden stattfand. Das 2. Obergeschoss widmet sich speziell München und dem Krieg – klar, dass im Münchner NS-Dokuzentrum der Fokus auf der ehemaligen Hauptstadt der Bewegung liegt.

So wichtig ich es finde, dass nicht erst 1933 mit der Dokumentation eingesetzt wird, so ist es auch zu loben, dass sie nicht mit 1945 abbricht: Es wird in der Ausstellung auf rechtsradikale Ereignisse nach Kriegsende hingewiesen und speziell im 1. Stock geht es um die Rezeption, die Auseinandersetzung Münchens und der Münchner mit ihrer braunen Vergangenheit. Ein Kapitel wird hier zum Beispiel auch dem Königsplatz gewidmet und so schließt sich der Kreis. Denn die unmittelbare Nähe des Dokuzentrums ist eben nicht nur spür- sondern überall im Gebäude sichtbar.

Sehenswerte Sonderausstellung im 1. Stock
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Im gesamten Gebäude ist der Blick durch die Architektur frei – wie hier auf den benachbarten Königsplatz. (Foto: Winderl)

Im 1. Stock ist Platz für Sonderausstellungen. Im Moment werden dort Künstler ausgestellt, die „das Unsagbare zeigen“. Wirklich ergreifend zu sehen, wie sich zeitgenössische Künstler mit dem NS-Regime auseinandergesetzt haben – nicht auszudenken, was gewesen wäre, wenn diese Kunstwerke entdeckt worden wären… Die Gemälde, Zeichnungen, Fotomontagen wurden ganz wunderbar ausgewählt und greifen auch diese breite Zeitspanne der Dauerausstellung auf. So wird beispielsweise auch ein Holzschnitt von Kurt Eisner gezeigt. Allein die Erläuterungen könnten zum Teil etwas deutlicher werden – ich möchte bezweifeln, ob sich jeder vom 4. bis in den 1. Stock die Bedeutung des Mordes an Eisner für den Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung merken kann…

Allein diese Ausstellung ist es schon wert, einen Schritt in den weißen Würfel zu wagen. Schade finde ich, dass das Personal zwar sehr höflich und international zu sein scheint – leider sich jedoch mit der Thematik relativ wenig auskennt. Eine inhaltliche Nachfrage meinerseits konnte nämlich von mehreren Mitarbeitern nicht geklärt werden. Ich habe dann den Ausstellungskatalog bemüht, aber auch da gab es keine Antwort.

Barrierfrei: Aber das Klingeln des Aufzuges nervt
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Die Dauerausstellung ist zweisprachig deutsch/englisch. Die Biblothek mit den Medientischen ist mehrsprachig ausgeschildert. Das internationale Flair des Hause kommt u. a. so zum Ausdruck. (Foto: Winderl)

Der Medieneinsatz im Haus scheint bewusst schlicht gehalten worden zu sein: An einigen Stellen werden originale Film-Dokumente gezeigt – ohne Ton. Es ist sehr leise im gesamten Dokuzentrum, nahezu eine andächtige Stille. Aber gut, zum Zeitpunkt meines Besuches war auch keine Schulklasse im Haus 😉 Umso störender empfand ich das penetrante Klingeln des Aufzuges, das immer wieder diese Stille durchbricht. Da das Dokuzentrum erst eröffnet wurde, besteht vielleicht die Hoffnung, dass dieser Ton künftig abgestellt werden wird. Positiv an diesem Aufzug ist, dass er das Haus barrierefrei macht. Aber dazu muss er ja nicht unbedingt klingeln…*

Mir persönlich fehlt vielleicht an der ein oder anderen Stelle eine interaktive Komponente. Gerade wenn Schulklassen eine Hauptzielgruppe des Hauses sein sollen, hätte man sich vielleicht für mehr Medieneinsatz entscheiden können. Die Ausstellung selbst enthält sehr viel Text, der zwar sehr durchdacht ist und mit vielen Zeitdokumenten wie Fotografien aufgelockert wird. Dennoch freute ich mich über die wenigen Bildschirme und stürtzte mich auf eine animierte Karte, die das Verschwinden der Münchner Juden dokumentiert. Ich tappte auf den Bildschirm – aber nichts passierte. Die Animation läuft ab ohne, dass der Besucher interagieren kann. Das ist in unserer Zeit doch etwas ungewöhnlich…

Lediglich unten im Leseraum, der sich im Untergeschoss befindet, gibt es einige „Medientische“ – im Großen und Ganzen kann man hier das nachlesen, was man zuvor schon in der Ausstellung hat lesen können. Freilich etwas gebündelter, weil es unter anderem nach Schlagworten sortiert ist. Aber als Historikerin, die eben auch eine studierte Medienwissenschaftlerin ist, hätte ich mir vielleicht ein bisschen mehr Medieneinsatz gewünscht.

Fazit

Ich werde sicher wieder kommen – jedoch mir dann einen kostenlosen Audioguide mitnehmen, die es im Erdgeschoss gibt. Bei meinem ersten Besuch habe ich für den Rundgang rund 1,5 Stunden gebraucht. Der Audioguide hat eine Laufzeit von insgesamt vier Stunden. Das ist sicher zu lang, aber man kann ja auf Abschnitte springen, die einen besonders interessieren. Und interessieren sollte einen die Vergangenheit seiner Stadt immer. Und bis 31. Juli kann man so oft wiederkommen wie man will – der Eintritt ist ja gratis 😉

NS-Dokumentationszentrum München
Brienner Straße 34, 80333 München
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 10 – 19 Uhr
www.ns-dokumentationszentrum-muenchen.de

* offensichtlich muss der Aufzug klingeln – s. Kommentar von Benedikt Lika.

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