Zu Gast bei Gabriele Münter in Murnau
Da dies eigentlich noch immer ein Spar-Blog ist, die preislichen Infos zuerst: Der Eintritt ins Münter-Haus in Murnau kostet bis zum 26. Lebensjahr gar nichts, danach 3 Euro. Der Direktor des Lenbachhauses, Dr. Matthias Mühling, betonte während der Pressereise auch den unschlagbar günstigen Preis für den aktuellen Ausstellungsführer von einem Euro.
„Zu Gast bei Münter“ waren wir an diesem Vormittag, ein bayerisches zweites Frühstück mit Butterbrezen stand in der ehemaligen Waschküche des Hauses für uns bereit – wie treffend, dass der Titel der Sonderausstellung „das Münter-Haus als Ort der Begegnung“ lautet. Gäste waren ganz wichtig für das Haus von Gabriele Münter. Erworben hat sie es 1909 – also vor 110 Jahren. Nach ihrem Tod 1962 vermachte sie ihren ganzen Besitz, auch das Haus samt Einrichtung, dem Lenbachhaus.
Damit wurde das Münchner Museum schlagartig weltberühmt. Denn zu den Gästen in Gabriele Münters Häuschen in Murnau zählten unter anderem Künstler des Blauen Reiters. So besaß sie auch eine wertvolle Gemäldesammlung ihrer Freunde und Weggefährten. Viel mehr noch: Sie selbst hat diese avantgardistische Stilrichtung mit geprägt. „Sie lebte avantgardistisch“, meint Mühlig, der zu brennen scheint für diese emanzipierte Frau und geniale Künstlerin.
Murnauer mieden das „Russenhaus“
„Die Murnauer mieden das Russenhaus“, erinnert sich Inge Gollwitzer. Sie hat Münter noch einige Male in ihrem letzten Lebensjahr persönlich erlebt, nachdem die heute 80-Jährige zu ihrem Verlobten neben das sog. „Russenhaus“ zog, wo sie noch immer wohnt. „Russenhaus“ wurde es deshalb genannt, weil viele Besucher aus Russland stammten. Gemieden wurde das Haus, weil hier Münter mit Kandinsky in wilder Ehe zusammenlebte. Was Mühlig heute als avantgardistisch bezeichnet, war für die überwiegend katholische Landbevölkerung in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg ein Skandal. (Wer sich zurückversetzten möchte in die Zeit: Über das Leben von Gabriele Münter ist der Roman „Die Malerin“* erschienen.)
„Äußerst nett und bescheiden“ sei Münter gewesen, erinnert sich die Nachbarin. Noch heute weiß Gollwitzer, wie das weiß-blau getünchte Holzhaus vor der Renovierung im Jahr 1999 ausgesehen hat. Ein zweites Jubiläum für das Haus, das den Startschuss für das Museum gab und im Jubiläumsjahr gefeiert wird. Ganz kann die resolute Seniorin nicht verstehen, warum man das Haus so sehr verändert hat, so befindet sich der Eingang heute zum Beispiel in der ehemaligen Waschküche. Doch die Stiftung, die nicht nur den Namen Gabriele Münters, sondern auch den ihres späteren Lebensgefährten Johannes Eichner trägt, wollte das Münterhaus in den Zustand zur Zeit des Blauen Reiters zurückversetzen.
Kandinsky lebte und arbeitete mit Münter
Zum Glück hat sich Kandinsky direkt am Haus selbst verewigt – so hat er beispielsweise die Holztreppe mit bunten Reitern bemalt. Denn ein Gemälde von ihm könne das kleine Museum nicht ausstellen, der Versicherungswert wäre zu hoch. Und das, obwohl das Münter-Haus das erfolgreichste Museum Oberbayerns ist und sich sogar selbst trägt – inklusive Wachschutz.
Auch der Garten darf im Museumsbudget nicht vergessen werden: Denn der wird so bepflanzt, wie einst von Kandinsky.
Der Blick des Besuchers schweift unwillkürlich vom Pflanzenrondell auf die Murnauer Pfarrkirche; Kandinsky hat dieser Ausblick zu einem Bild inspiriert. Mit den Landschaftsmotiven hier vollzog er den letzten Schritt zur Abstraktion.
Der Besucher kann einige berühmte Stilleben am Originalschauplatz erkennen: Den blauen Läufer, der das Bild von Münters Schlafzimmer dominiert. Daneben sind „Devotionalien“ ausgestellt, wie sie Mühling nennt. Kandinskys Gehrock beispielsweise oder die Farbpaletten des Künstlerpaares.
Im Münter-Haus verschmilzt Heimat- und Kunstgeschichte
„Wir sind auch ein Heimatmuseum“, sagt er und das wird deutlich, als Siegrid Decker erläutert, dass ihr Vater ein Luis-Trenker-Typ gewesen sei und immer mit Lederhosen unterwegs. Münter war wohl deswegen nicht so begeistert, dass ihr junges Zimmermädchen Ellen Brischke mit dem „Mayr Schorsch“ ausgehen wollte.
Aktuell sind im ehemaligen Musikzimmer Bilder von Ellen ausgestellt, die für Münter nicht nur eine Unterstützung im Haushalt war, sondern auch eine Inspirationsquelle. Das Bild „Fräulein Ellen im Gras“ zeigt die „Haustochter“ beim Kartoffel schälen.
Das Porträt „Ellen am Tisch“ ihrer Mutter rührt sie zu Tränen. Ein Beweis dafür, wie sehr Münter es verstand, das Wesen eines Menschen im Porträt einzufangen. „Das muss zu der Zeit entstanden sein, als sie sich entschlossen hatte, meinen Vater zu heiraten. Todunglücklich war sie über die Entscheidung, das sehe ich auf diesem Bild.“ Decker ist Jahrgang 1935, das Porträt ist aus diesem Jahr. Der Grund für die Entscheidung steht vor uns. Nach der Geburt der Tochter brach der Kontakt zwischen Münter und Ellen langsam ab.
Decker erklärt Gollwitzer, welcher Murnauer Mayr das genau gewesen sei. Und plötzlich wird dem Besucher bewusst, dass die Personen, die hier einst gelebt und gearbeitet haben, zum Teil nicht nur die Geschichte der Kunst geprägt und verändert haben, sondern auch die Geschichte dieser oberbayerischen Gemeinde. Und wie diese Fäden im Münter-Haus zusammenlaufen, das eben auch eine Art Heimatmuseum ist.
Die Ausstellung „Das Münter-Haus als Ort der Begegnungen“ ist seit 18. September 2019 im ehemaligen Haus von Gabriele in Murnau zu sehen.
Das Münter-Haus in Murnau
Kottmüllerallee 6
82418 Murnau
Öffnungszeiten: Täglich (außer montags) 14.00 bis 17.00 Uhr
Eintritt (ab 27 Jahre): 3 Euro
www.muenter-stiftung.de
Das Lenbachhaus muss ich leider hier immer sträflich vernachlässigen, weil es nicht beim 1 Euro-Sonntagseintritt mitmacht. Dafür ist die Jahreskarte jedoch relativ günstig – sie hat sich im Prinzip nach zwei Besuchen im Jahr amortisiert.
Und für Postkartenliebhaber habe ich noch einen wertvollen Tipp: Im Eingangsbereich, noch vor der Kasse, befinden sich bei den Sitzgelegenheiten nicht nur Flyer für Ausstellungen, sondern richtige Postkarten für umsonst. Also ich schaue da immer gerne nach. Aktuell gibt es das blaue Pferd von Franz Marc und – als Vorankündigung für die nächste Ausstellung im Kunstbau – Postkarten mit Motiven von Alexei von Jawlensky und Marianne von Werefkin, die wie Münter und Kandinsky ein bedeutendes Künstlerpaar im Umfeld des Blauen Reiters waren.
Transparenzhinweis: Auf Einladung des Lenbachhaues besuchte ich am 18. September 2019 das Münterhaus im Rahmen einer Pressereise.